Seit der Popularisierung von generativer künstlicher Intelligenz (KI) – auf Basis von Large Language Models – durch Softwareprodukte wie ChatGPT, DALL-E u.a., insbesondere US-amerikanischer Digitalkonzerne – werden solche KI-Anwendungen intensiv öffentlich diskutiert. Fragen des Urheberrechts und des Schutzes menschlicher Kreativität sind in Anbetracht der notwendigen Nutzung von Daten zum Training der KI-Systeme von zentraler Bedeutung. Die Frage, ob der Einfluss der Technologie als Fluch oder Segen betrachtet werden könne, warf Andreas Großmann, Wissenschaftlicher Leiter des FiF, in seiner Eröffnung des FiF Forums auf und verwies auf mahnende Stimmen aus der Wissenschaft sowie angrenzende Probleme, wie die Qualität der Daten und die Gefahr der Verfälschung dieser durch KI.
Katharina Uppenbrink, Geschäftsführerin der Initiative Urheberrecht e.V. (IU), skizzierte einen Überblick der Entwicklungsgeschichte von KI von deren Anfängen bis zur Verbreitung generativer KI seit 2022 und stellte das Modell der Juristin Anu Bradford vor, wonach sich die weltweiten Regulierungsansätze von KI je nach vorherrschender politischer Philosophie unterschieden. So seien in den Vereinigten Staaten und China Markt-getriebene bzw. Staats-getriebene Regulierungsmodelle vorherrschend, deren Fokus auf der Bewahrung der unternehmerischen Freiheit bzw. der staatlichen Macht lägen. Die Europäische Union setze hingegen aufgrund ihres Rechte-getriebenen Modells einen Schwerpunkt auf die Bewahrung der Grundrechte sowie demokratischer Strukturen und biete dadurch gute Voraussetzungen, einen fairen Regulierungsrahmen zu schaffen, um einen angemessenen Ausgleich zwischen allen Akteuren zu gewährleisten. Generell, so Uppenbrink, sei die KI ein nützliches Werkzeug, das auch in der Kreativbranche zur Klassifizierung, Archivierung sowie zur Bearbeitung von Inhalten und vielem mehr geschätzt und verwendet werde. Gleichwohl werfe der Einsatz generativer KI viele Probleme auf. Genannt seien neben rechtlichen und ethischen Herausforderungen auch Fragen nach der Verteilung der Gewinne sowie die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz von Akteuren in der Kultur-, Kreativ- und Medienbranche. Es bedürfe daher eines normativen Rahmens, welcher Transparenz schaffe und die Lizenzierung von Inhalten durch geeignete Verträge inklusive angemessener Vergütung sowie die Kennzeichnung KI-generierter Inhalte ermögliche. Die IU fordere daher eine Reihe von Regulierungsmaßnahmen im Bereich des Urheberrechts, die insbesondere auf eine bessere Rechtsdurchsetzung für die Betroffenen abzielen.
In der sich anschließenden Diskussionsrunde stellte Petra Gehring, Professorin am Institut für Philosophie und Direktorin von ZeveDi, das in den Wissenschaften übliche Konzept der freien Verfügbarkeit inklusive Nutzungsrechten von Informationen – Open Access – dem Urheberrecht in der Kreativbranche gegenüber und verwies auf das Problem der Finanzierung von Open Access-Publikationswegen, welche im wesentlichen durch die Universitäten und Forschungseinrichtungen – also durch öffentliche Mittel – gewährleistet werde. Gehring bemängelte die Oligopolstellung der großen Wissenschaftsverlage, die aufgrund ihrer Marktmacht das Publikationswesen dominierten, selbst aber keine Verlage im klassischen Sinne mehr seien, sondern Digitalkonzerne mit datengetriebenen Geschäftsmodellen, deren Verträgen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ausgeliefert seien – häufig ohne genaue Kenntnis über die weitere Verwendung bzw. Verwertung ihrer Daten. Thomas Stäcker, Direktor der ULB Darmstadt, hob indes die Vorteile des Open Access-Publikationswesens hervor, welches einen besseren Zugang zu Quellen und eine bessere Wahrnehmung wissenschaftlicher Erkenntnisse ermögliche und damit ein wesentliches Element der Wissenschaftsökonomie darstelle. Der Wandel des Publikationswesens hin zu Open Access-Lizenzierungen gehe auch einher mit der Verschiebung von analogen zu vermehrt digitalen Publikationen. Darum sei in Zeiten, da das Interesse am Buch „im Sinkflug“ sei, die Perspektive der Bibliotheken für ihn auch eine digitale. Diese müssten allerdings selbst Daten sammeln, anstatt diese lediglich zu lizenzieren. Bibliotheken könnten durch die Bereitstellung vertrauenswürdiger, kuratierter Daten einen Beitrag zu mehr Datensouveränität leisten. Konsens herrschte im Plenum über die Problematik der Plattformökonomie, nicht nur bei der Bereitstellung von KI-Dienstleistungen, sondern auch im wissenschaftlichen Publikationswesen sowie bei kreativen Inhalten. Katharina Uppenbrink wies auf die prekäre Situation von Kunstschaffenden – etwa Autoren und Musiker, die aufgrund schlechter Bedingungen zu Hobbyautoren und -Musikern werden – hin und forderte, Kunst- und Wissensschaffende dürften sich nicht einfach den Bedingungen großer Konzerne unterwerfen. In diesem Zusammenhang lobte Petra Gehring die institutionelle Aufstellung der Kreativbranche durch Organisationen wie die IU oder die GEMA und mahnte ferner, dass es auch in der Wissenschaft ein Bewusstsein dafür geben müsse, sich beim Publizieren den Geschäftsmodellen von Konzernen auszusetzen. Thomäs Stäcker gab überdies zu bedenken, inwiefern wir uns selbst durch den Einsatz der Technologie überflüssig machten und inwieweit die Verwendung von KI unter diesen Umständen überhaupt wünschenswert sei. Die Komplexität der Thematik KI und die daraus folgenden rechtlichen und gesellschaftlichen Implikationen zu erfassen, darin waren sich alle Anwesenden einig, erfordere einen intensiven und interdisziplinären Austausch – nicht nur zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen, sondern zwischen allen gesellschaftlichen Akteuren.