Forum und Festakt zum 15. Geburtstag des FiF 2023

mit Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Mittelstraß

„Universität, quo vadis? Idee, Wirklichkeit und Zukunft der Universität"

Höhepunkt der Festreihe war die „Geburtstagsfeier“ des FiF am 12. Juli. Als Festredner erwarteten wir Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Mittelstraß von der Universität Konstanz. Ihm verdanken die hochschulpolitischen Debatten hierzulande seit vielen Jahren entscheidende Anstöße. Sein Vortrag widmete sich, gefolgt von einer Respondenz der Darmstädter Philosophin Prof. Dr. Petra Gehring, einer grundsätzlichen Frage: „Universität, quo vadis? Idee, Wirklichkeit und Zukunft der Universität“.

Zeit und Ort: 12. Juli 2023 | Lichtenberg-Haus 18 Uhr

Festvortrag von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Jürgen Mittelstraß: Universität, quo vadis? Zur Idee, Wirklichkeit und Zukunft der Universität

Universitäten haben sich im Laufe der Jahrhunderte und Jahrzehnte immer wieder verändert. Selbst die für die moderne Universität einschlägige Universitätsreform Wilhelm von Humboldts war, worauf Andreas Großmann in seiner Begrüßungsansprache hinwies, zu seiner Zeit gegen die bestehenden Universitäten gerichtet. Doch ist damit die Frage nach einer „Idee“ der Universität bereits erledigt? Gibt es sie überhaupt noch? Pointierter gefragt: Braucht es eine solche Idee noch? Und wie sähe sie aus?

Der Festvortrag des Konstanzer Philosophen Jürgen Mittelstraß, flankiert von einer Respondenz der Darmstädter Philosophin Petra Gehring, scheute vor einer so klaren wie kritischen Bestandsaufnahme der Gegenwart der Universität nicht zurück. Entlang der Stichworte Hochschulentwicklung, epistemische und institutionelle Irritationen, Endlichkeit und Transdisziplinarität und Wissenschaftsreform warf sein Vortrag Fragen auf, die, obwohl unbequem und schmerzhaft, zum Nachdenken über mögliche Antworten einladen sollten und wollten. Denn, so Mittelstraß: „Wer keine Fragen hat, hat auch keine Antworten.“

Die von Mittelstraß aufgeworfenen Fragen zielten bezeichnenderweise auf die Frage nach dem Wesen oder der „Idee“ der Universität. Verfügt die Universität noch über eine sie bestimmende Idee – oder hat sie ihre Idee und, mit ihr, ihre selbstbestimmte Zukunft infolge ökonomischer und organisatorischer Einflüsse von außen bereits verloren? Hat der wissenschaftliche Verstand, zumal nach den „Bologna“-Reformen, gegenüber dem verwaltenden Verstand in der Frage der Gestaltung seiner Verhältnisse die Regie verloren? Geht es in der Universität heute noch um Bildung durch Wissenschaft oder nicht eher um Ausbildung im Schatten der Wissenschaft? Geht es in ihr noch um die Suche nach Erkenntnis und Wahrheit (und damit um Wissenschaft als Lebensform und nicht nur als „Job“ unter anderen) oder nur noch um den Dienst an einem zeitgemäßen gesellschaftlichen „Fortschritt“ (was immer er bedeuten mag)? Ist an die Stelle des Paradigmas Universität das Paradigma Schule getreten? Das heißt, versteht sich die Universität noch als Forschungsanstalt oder nur noch als Lehranstalt? Und wird sie nicht auch von der Politik – wider besseres Wissen – zu einer Verfachhochschulisierung gedrängt?

Der ernüchternden Analyse der Gegenwart der Universität stellte Mittelstraß indes in durchaus konstruktiver Absicht einige Vorschläge zu einer Restrukturierung der Universität entgegen. Sie artikulierten gewissermaßen eine neue „Strukturidee“, verstanden als Grundriss einer wirklichen (und nicht nur rhetorisch bemühten) Reform des Wissenschaftssystems. Kann man auf eine solche Reform hoffen? Oder hat man sich im Gewohnten des „Betriebs“ nicht – allzu bequem – eingerichtet? Ohne Umdenken freilich, in der Wissenschaft wie auf Seiten der Wissenschaftspolitik, wird sich nichts bewegen und ändern. Nicht ohne Bedacht erinnerte Mittelstraß am Ende seines Vortrags an die schon von Aristoteles benannte Aufgabe, in Alternativen zu denken. Sie gilt es wahrzunehmen, wenn die Zukunft der Universität noch einmal eine offene sein soll.