Autonomes Automobil – Eine Neuerfindung des Autos?
Autofahren gehört zum Alltag vieler Menschen und dient im allgemeinen der Mobilität. Das soll auch so bleiben, allerdings kann das Auto mit der richtigen Technik ohne menschliche Fahrerinnen und Fahrer auskommen. Die einstigen Fahrenden finden unterwegs dann Zeit für ganz andere Dinge: schlafen, essen, Zeitung lesen, vielleicht küssen oder arbeiten.
Auf dem Weg dorthin stellen sich nicht nur technische Fragen, sondern eine Vielzahl an ethischen, rechtspolitischen und rechtlichen Problemstellungen, die im FiF-Forum vor und gemeinsam mit öffentlichem Publikum von Repräsentanten der Fachbereiche Philosophie (Petra Gehring, TU Darmstadt), Recht (Eric Hilgendorf, Uni Würzburg) Maschinenbau (Stephan Rinderknecht, TU Darmstadt), Fahrzeugtechnik (Herrmann Winner, TU Darmstadt) und Informatik (Stefan Katzenbeisser, TU Darmstadt) diskutiert wurden.
Die Herausforderung ans Recht
Der Vortrag von Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf zu Beginn des Forums vergegenwärtigte den Teilnehmern vor allem die rechtlichen Fragestellungen in Bezug auf die sogenannten „autonomen“ Automobile. Denn was technisch möglich, ist nicht immer auch juristisch erlaubt. Grundsätzlich benötigen wir durch die potentielle Zulassung von autonomen Automobilen im Straßenverkehr keine völlig neue Rechtsordnung, müssen aber einiges neu überdenken. Das kürzlich überarbeitete „Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr“ von 1968 ermöglicht es dem Menschen, möglichst viele Kompetenzen abzugeben, sofern er ein System jederzeit überstimmen oder abschalten kann. Juristische Problembereiche stellen aktuell vor allem das Zulassungs- und Verhaltensrecht, das Haftungsrecht für alle Beteiligten (Fahrer, Halter und Hersteller), die strafrechtliche Verantwortung und die Haftung für Sabotageanfälligkeit dar. Bei Haftungsfragen ist eine Verlagerung hin zur Herstellerhaftung durchaus möglich, denn die Fahrer geben ihre Verantwortung ab und vertrauen auf das System, und dies haben schließlich die Herstellenden programmiert. Sollen Fahrer sich aber auf ein System verlassen dürfen, wenn Technik doch nie ganz von Restrisiken befreit ist? Die Figur des „erlaubten Risikos“ scheint dabei ein geeigneter Maßstab für Zulassungsfragen zu sein. Sofern also der Nutzen von Technik potentielle Schäden übersteigt, ist die Zulassung juristisch möglich.
Weshalb überhaupt autonome Automobile?
Lässt sich von der Entmündigung der Fahrer sprechen, wenn findige Programmierer zukünftigen Autos einschreiben, wie sie sich in bestimmten Verkehrssituationen verhalten sollen? Bei Dilemma-Situationen würde man schließlich Algorithmen entscheiden lassen. Kann ein solch automatisierter Umgang mit Leben gewollt sein? Das Versprechen der Einführung autonomer Automobile ist einerseits eine erhöhte Sicherheit und andererseits die Entlastung der Fahrer, wobei sich die Frage stellt, ob die Fahrer überhaupt entlastet werden wollen. Und geht mit einer absoluten Abgabe von Verantwortung seitens der Fahrer nicht auch eine Entwöhnung einher, mit Belastung umzugehen, oder findet der Mensch dann einfach andere Bereiche, sich in der Belastung zu erproben? Einigkeit besteht zumindest in der Annahme, dass der Mensch selbst entscheiden will und soll, ob er fährt oder sich fahren lässt, denn Privileg kann beides sein und Spaß machen auch. Ein Mischverkehr bedeutet dann aber wiederum einen geringeren Sicherheitsfaktor. Denn wie soll ein solcher Verkehr organisiert werden, und auf Grundlage welcher Sprache kann die Kommunikation stattfinden? Ob autonome Automobile tatsächlich sicherer sind, ist auch nicht bewiesen. Was fehlt, sind gesicherte empirische Kenntnisse. Diese bekäme man erst durch die Einführung, was insofern einem gesellschaftsverändernden Realexperiment im Namen einer Wette über Sicherheit gliche. So ist auch nicht auszuschließen, dass ein derartiges Automobil als Waffe missbraucht werden könnte. Bremsschläuche durchzuschneiden ist ein physischer Angriff, der weiterhin bestehen würde; was hinzukäme, wäre die Gefahr potentieller Software-Angriffe.
Weiteren Herausforderungen wie Telematiktarife, Datenschutz und Verfügungsberechtigungen an nicht-personenbezogenen Daten im künftigen Straßenverkehr kann nur begegnet werden, wenn möglichst viele verschiedene Perspektiven eingenommen werden und unterschiedliche Disziplinen die Debatte führen.