Macht der IT-Intermediäre – Ohnmacht des Rechts?
In der Anfangsphase des Internet galt dieses als ein Medium freier, von Kreativität geprägter Kommunikation. Die tatsächliche Entwicklung war allerdings schnell von Kommerzialisierung gekennzeichnet; die Geschäftsmodelle der großen, allseits bekannten Dienste (wie Google, Facebook resp. Meta, Amazon und Apple) führten zu kaum durchschaubaren – und problematischen – Vermachtungen in diesem Felde.
Denn gerade die großen Akteure des Internet sind in der Lage, den Zugang zum Internet oder zu Dienstleistungen für andere zu beschränken. Entscheidend für diese Beschränkungen sind die Geschäftsmodelle der Dienste, sofern sie den Zugang für Wettbewerber einschränken oder vollständig untersagen und so Markteintrittsbarrieren aufbauen.
Dieser tatsächlichen Entwicklung stehen der Anspruch und Auftrag des Rechtsstaats gegenüber, das Gemein- und Individualwohl aller zu gewährleisten. Die Beachtung allein von Unternehmensinteressen ist daher von vornherein verkürzt. Von besonderem Gewicht ist hierbei die Berücksichtigung von Grundrechten. Dieser Gewährleistungsauftrag kann durch Instrumente wie Gebote oder Verbote, Anreize, durch Organisationen, Strukturen, Verfahren oder Kompetenzverteilungen erfüllt werden. Dabei gilt es zu bedenken, dass es zwischen den Akteuren im Internet eine großes Machtungleichgewicht gibt.
Bisher lief die Steuerung und Regulierung des Internet weitgehend durch Steuerungsinstrumente aus dem Bereich „Governance without Government“. So wird der Umgang und die Nutzung der Internetdienste vor allem durch Verhaltensvorschriften (Naming und Shaming), durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Anbieter und durch freiwillige Selbstverpflichtungen geregelt. Mehr und mehr macht sich indes die Erkenntnis breit, dass die Zeit alleiniger Selbstregulierung der Internetkonzerne vorbei und die Zeit rechtlicher Regulierung gekommen ist. Stellen doch die führenden IT-Intermediäre dominierende Plattformen dar, die als keineswegs neutrale, sondern als tief in die Privatsphäre eingreifende Akteure auftreten, ohne dafür eine demokratische Legitimität zu besitzen. So schreiben die großen Internetplattformen wie beispielsweise ebay und Airbnb vor, wie die Vertragsgestaltung und Zahlungsmodifikationen ablaufen müssen, und ermöglichen somit den Vertragspartnern keine Vertragsfreiheit. Aber auch „Governance without Government“ bedeutet nicht, dass es einen rechtsfreien Raum gäbe. Es gibt durchaus einen bestimmten rechtlichen Rahmen, der durch das Datenschutzrecht, das Gewerberecht und das Kartellrecht definiert wird. Jedoch handelt es sich bei diesen Rechtsformen um unspezifisches Recht, das nicht speziell für den Rechtsraum des Internet ausgelegt ist. So ist das Kartellrecht in seiner Reichweite eingeschränkt, da es nur auf nationaler und auf EU-Ebene anwendbar ist – ein offenkundiges Manko angesichts weltweit agierender Konzerne. So können letztere die entsprechenden Vorgaben des Kartellrechts leicht umgehen. Werden sie doch einmal nach nationalem oder EU-Recht in Form finanzieller Strafzahlungen sanktioniert, ist es für sie ein Leichtes, die entsprechenden Strafzahlungen zu leisten, da sie stets viel zu niedrig ausfallen. Die entsprechenden Vorgaben wurden zwar teilweise vom Gesetzgeber nachgebessert, jedoch nicht im erforderlichen Umfang.
Weitere Bemühungen sind bereits realisiert worden, so soll die Rechtsmacht des Kartellamts erweitert werden, großen Firmen zu untersagen, Marktzutrittschancen zu verändern; entsprechende Verfahren sind am Laufen. Das Kartellrecht deckt allerdings nicht alle Felder ab, die reguliert werden sollten, wie beispielsweise Diskriminierung von Minderheiten, Verhinderung der Verbreitung verfassungsfeindlicher Inhalte, Verkauf von illegalen Waren und Dienstleistungen etc.
Die Bundesregierung rief 2020 die Datenstrategie ins Leben, um ein entsprechendes Internetrecht zu schaffen. Dieses Gesetzespaket ist jedoch noch in Arbeit und muss dann vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. Es soll einen data-governance-act enthalten, d.h. die Betreiber sollen verpflichtet werden, sich an das jeweilige Landesrecht zu halten, in denen sie ihre Dienstleistung anbieten, und nicht an das Recht des Landes, in dessen Grenzen sie ihren Firmensitz haben. Diese geplante Verordnung wird aber nur für die großen Anbieter gelten, da nur sie als „Torwächter“ (oder „gate keeper“) gelten. Als „Torwächter“ gilt, wer mindestens 75 Milliarden Dollar Börsenwert oder mehr als Zehntausend gewerbliche Nutzer hat sowie weitere Kriterien erfüllt. Diesen „Torwächtern“ ist es verboten, ihre Produkte gegenüber denjenigen anderer Wettbewerber besser zu bewerben. Die Verbreitung illegaler Waren und illegaler Dienstleistungen soll so verhindert werden. Diese Regelungen gelten nicht für Unternehmen mit weniger als 45 Millionen Nutzern. Neue Transparenzmaßnahmen sollen verabschiedet werden. Die großen Konzerne sollen außerdem einer staatlichen Aufsichtsbehörde unterstellt werden. Mit einheitlichen Vorgaben innerhalb der EU hofft diese, dass ihre Standards und Kontrollmöglichkeiten auch in anderen Ländern eingeführt bzw. übernommen werden. Eine allgemeine Regulierung des Digitalen steht aus. Skepsis ist – leider – angebracht, ob sie zu erwarten ist. In der digitalen Transformation kommt das Recht spät, vielleicht zu spät, als Akteur zum Zuge.
Die einschlägige Publikation von Prof. Dr. Hoffmann-Riem zum Thema ist im Verlag Mohr Siebeck erschienen und auch als eBook verfügbar.
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