FiF-Workshop 2016 Kreativität

FiF-Forum und -Workshop Kreativität an der Universität?

11. und 12. Oktober 2016 in Darmstadt

Das FiF-Forum und ein sich anschließender Workshop zum Thema Kreativität suchte vor allem die Frage institutioneller Rahmenbedingungen von Kreativität zu exponieren. Sie ist von Hause aus interdisziplinär, und sie interessiert gegenwärtig auch und nicht zuletzt im Kontext universitärer Exzellenzstrategien. Denn als unabnutzbare Ressource ist Kreativität fast zu einer mit Leistungszwang konnotierten Norm geworden. „Sei kreativ!“, so lautet der Imperativ, der sich nicht nur an ein kreatives Individuum richtet, sondern vermehrt auch von Teams und ganzen Netzwerken erwartet wird. Aber was zeichnet Kreativität überhaupt aus, und was ermöglicht sie? Wie lässt sich Kreativität an der Universität fördern? Und lässt sich Kreativität überhaupt organisieren, oder ist die Rede von organisierter Kreativität eine contradictio in adjecto?

Der Vortrag von Jörg Sydow (Betriebswirtschaftslehre/FU Berlin) im Rahmen des Forums informierte über den Stand der noch jungen Kreativitätsforschung in der Management- und Organisationsforschung und erkundete von da aus explizit Perspektiven eines Lernens von der Philosophie. Diese Perspektiven wurden in einer Respondenz von Christoph Hubig aufgenommen und erweitert. Die Organisationsforschung sieht Kreativität heute verstärkt als sozialen Prozess (im Unterschied von bloßer, einliniger Ergebnisfixierung). Mit Nietzsche erkennt sie letzteren als Prozess eines „in Ketten Tanzens“ bzw. einer „Freiheit in Fesseln“, die an Überkommenes in neuen Formen („Fesseln“) anknüpft. Ein reines Erfinden, gleichsam eine „creatio ex nihilo“, ist demgemäß unmöglich und allenfalls als Grenzbegriff denkbar. Kreativität ließe sich nach Hubig eher als Schemenübertragung oder als Rekombination fassen, die zunächst aber einen Problemdruck als Auslösebedingung benötigt. Für die „Organisation“ von Kreativität impliziert diese Einsicht nach Sydow, Kreativität ermöglichende Bedingungen zu schaffen, indem man etwa dem Zufall, auch kreativem Nichtstun (Muße) Raum gibt, absichtsvoll irritiert bzw. Unsicherheiten induziert, andererseits aber auch über Sicherheiten (Routinen) Kreativität stimuliert. Widersprüchlich ist das Organisieren von kreativen Prozessen daher nicht, schon eher aber ein wechselseitiges und spannungsreiches Verhältnis.

Der Workshop am 12. Oktober 2016 wurde durch Beiträge von Prof. Dr. Rainer M. Holm-Hadulla (Mediziner und Psychoanalytiker, Universität Heidelberg), Prof. Dr. Sandra Ohly (Wirtschaftspsychologin, Universität Kassel), Julia Wandt (Universität Konstanz, Leitung Kommunikation und Marketing, Pressesprecherin) und Dr. Dieter Lederer (Unternehmensberater und Coach, Ludwigsburg) gestaltet.

Anstöße für weitere Debatten sind durch diese Vortragsreihe des FiF gegeben.

Psychologische Perspektiven

Rainer M. Holm-Hadulla (Heidelberg) thematisierte in seinem Vortrag vor allem psychologische Perspektiven auf Bedingungen der Möglichkeit von Kreativität. Kreativität, so Holm-Hadulla, kann sich nur in einem sozialen Umfeld einstellen, das von Wahrnehmung und Anerkennung des Anderen geprägt ist. Kreativität bedarf insofern des „Zuspiels“ von Vertrauen und Wertschätzung und erschöpft sich nicht in dauerhaftem Kreieren. Zur Kreativität gehört, auch wortgeschichtlich, neben dem „creare“ das „crescere“, das subjektive Verfügungsgewalt transzendiert. Andererseits verdankt sich Kreativität nicht dem „Kuss der Musen“. Kreativität ist (als Wechselspiel von Ordnung und Destruktion, Ordnung und Chaos) mit Anstrengung und harter Arbeit verbunden, was exemplarisch an künstlerischen Persönlichkeiten wie Goethe und Madonna gesehen werden kann. Dabei wurde auch gefragt, was Kreativität in unterschiedlichen Domänen unterscheidet, denn in Wissenschaft und Dichtkunst etwa erscheinen die kreativen Prozesse als durchaus different, und das „Bauen“ von Gedichten erfordert ein anderes Maß an Kreativität als auch das Bauen von Häusern. Kreativität im Alltag zeigt sich, wenn Kinder spielen, oder beim Kaffeetrinken. Außergewöhnlich ist sie aber, wenn sie für andere relevant wird.

Wirtschaftspsychologische Blickrichtung

Der Frage der Organisierbarkeit von Kreativität ging Sandra Ohly (Kassel) aus dezidiert wirtschaftspsychologischer Blickrichtung nach. Intrinsische Motivation (wie immer sie „gemessen“ werden kann bzw. können soll) erweist sich in dem Kontext als ein Moment unter anderen. Auch wirtschaftspsychologisch interessieren konkrete Arbeitsbedingungen: Arbeitskomplexität, Autonomie, Unterstützung durch den Vorgesetzten, gutes Verhältnis zum Vorgesetzten, positives Arbeitsklima und Arbeitsumfeld. Zeitdruck etwa kann kreativitätsfördernd sein, er kann aber auch, wo er zu dominant wird, Kreativität unterbinden. So braucht es für Kreativität bzw. ihre „Organisierbarkeit“ „richtige Arbeitsbedingungen“ und Unterstützung der Motivation zur Kreativität.

Der universitäre Kontext

Wie dies im universitären Kontext konkret geschehen kann, zeigte Julia Wandt (Konstanz) in ihrem Referat über die „Kultur der Kreativität“, die die Universität Konstanz im Ausgang von ihrer Gründungsidee auch in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder erfolgreich institutionalisiert hat: Kreative Prozesse in Forschung und Lehre werden gezielt gefördert, Rahmenbedingungen für kreative Forschungsleistungen werden geboten (z.B. durch Freistellung herausragender Forscherpersönlichkeiten von Lehrverpflichtungen und administrativen Aufgaben), auch öffentlicher Dialog und gesellschaftliches Engagement werden unterstützt. Darüber hinaus gibt es in Konstanz eine Reihe wissenschaftsunterstützender Dienstleistungen und in Gestalt des sogenannten „Zukunftskollegs“ eine Infrastruktur auch gezielt für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Die kreative Universität, so Wandt in ihrem Resümee, bedarf nicht nur einer mutigen und kompetenten Hochschulleitung und guter, kreativer Köpfe in der Forschung. Sie bedarf zuallererst an Sachfragen orientierter Strukturen und eines Arbeitsumfeldes, das die Individuen, die die Universität in ihren verschiedenen Bereichen machen und ausmachen, beachtet und anerkennt, Kontrollmechanismen hingegen minimiert. (Freiheit gibt es, mit Nietzsche gesprochen, wohl nur „in Fesseln“, doch können diese – siehe oben – auch Kreativität inhibieren; die Möglichkeit des Verlusts von Freiheit bleibt insofern ein offenes, stets zu bedenkendes Problem.)

Kreativität im Unternehmen

Den Schlusspunkt des Workshops markierte der Vortrag von Dieter Lederer (Ludwigsburg), der als Unternehmensberater praxisgenährte Blicke auf die Instantiierung von und den Umgang mit Veränderungsprozessen in Unternehmen vorstellte. Es sind vorwiegend drei Gründe, die nach Lederer fürs Scheitern von Veränderungsprogrammen anzuführen sind: Unzureichendes Engagement und Einigkeit unter den Führungskräften, unzureichender Umgang mit Verunsicherung, Ängsten und Widerständen auf Seiten von Führungskräften und Mitarbeitern, unklare Zielbilder von Veränderungsprogrammen. Welche Schlüsse aus diesen Beobachtungen für universitäre „Veränderungsprogramme“ zu ziehen wären, blieb offen.

Mit Beiträgen von:

Prof. Dr. Rainer M. Holm-Hadulla (Mediziner und Philosoph, Universität Heidelberg) / „Geheimnis Kreativität“ Link zum Beitrag

Dr. Dieter Lederer (Unternehmensberater und Coach, Ludwigsburg)

Prof. Dr. Sandra Ohly (Wirtschaftspsychologin, Universität Kassel)

Julia Wandt (Universität Konstanz, Leitung Kommunikation und Marketing, Pressesprecherin)

Impressionen