Das Thema der „Umbaukultur“ wird aktuell verstärkt unter Architekten und Stadtplanern diskutiert. Der Hauptvortrag des Vorstandsvorsitzenden der Bundesstiftung Baukultur, Reiner Nagel, und die Respondenzen von Karsten Tichelmann (TU Darmstadt) und Antje Brock (FU Berlin) stellten die auch in interdisziplinärer Hinsicht vielfältigen Facetten des Themas zur Diskussion. Die Bundesstiftung Baukultur hat die „Neue Umbaukultur“ in ihrem Baukulturbericht 2022/23 prominent exponiert. Die Stiftung spielt eine bedeutende Rolle bei der Vernetzung aller Akteure im Bauwesen. Insgesamt engagieren sich über 4,41 Millionen Menschen aktiv für das Thema Baukultur, das sich auf fünf grundlegende Kriterien konzentriert: Lebensqualität, Dichte, Nachhaltigkeit, Funktionalität und die Wechselwirkung zwischen Lebensqualität und Dichte. Gerade im Blick auf Nachhaltigkeit spielt der Bausektor eine entscheidende Rolle, da er mehr als die Hälfte der CO2-Emissionen und viele, nicht wieder verwendbare Abfälle produziert.
Der Umbaukultur geht es um die Erweiterung bestehender Strukturen und darum, Fragen des Bauens neu zu denken – was letztlich nur im Zusammenspiel mehrerer Disziplinen gelingen kann. Dabei sind Polyzentralität und Nachhaltigkeit im Visier. So spielen zum Beispiel Vitalität der Erdgeschosse in Innenstädten sowie Bildungsangebote eine wesentliche Rolle. Umfragen zeigen, dass die Bevölkerung einen guten öffentlichen Nahverkehr befürwortet und die Sanierung von Bahnhöfen unterstützt. Zudem wird eine deutliche Nachfrage nach mehr Grünflächen deutlich. Gebäude werden als langfristige Produkte der Gesellschaft betrachtet, wobei zu betonen ist, dass Ersatzneubauten einen erheblichen CO2-Ausstoß verursachen.
Die Sanierung gilt grundsätzlich als effektivere Alternative im Vergleich zum Neubau. Der Umbau bietet größere Anreize als ein Neubau, und Kostenvergleiche zeigen auch deutlich, dass Sanierungen kostengünstiger sind. In der Regel sind mangelhafte Bausubstanz oder ästhetische Gründe die Hauptgründe für Abrisse. Eine sinnvolle Herangehensweise wäre beispielsweise die Umwandlung von Bürogebäuden in Wohnraum sowie die Entwicklung von Wohnraum auf bereits bebautem Ackerland. Diese Maßnahmen könnten bereits eine deutlich positive Veränderung mit sich bringen.
Dennoch bedarf es auch neuer Lösungsansätze. Der aktuelle Wandel hin zur intelligenten Nutzung von Dächern und die Verbindung zwischen Baukultur und Wasserbau gewinnen in der heutigen Zeit eine hohe Relevanz. Darüber hinaus besteht auch aus soziologischer und bildungstheoretischer Sicht noch „Luft nach oben“. Obwohl ein hohes Maß an Umweltbewusstsein in der Gesellschaft vorhanden ist, besteht immer noch eine Diskrepanz zwischen Bewusstsein und Handeln. Ursachen für diese Spannungen und Inkongruenzen sind oft kognitive Verzerrungen, Widerstand gegen Veränderungen und eine verzerrte Risikowahrnehmung.
Unbestreitbar erscheint, dass die Umbaukultur eine entscheidende Rolle bei der Schaffung einer nachhaltigen und lebenswerten Umwelt spielt. Die Verbindung zwischen Baukultur, Umweltschutz und sozialen Aspekten ist von großer Bedeutung: eine zukunftsfähige, für künftige Generationen lebenswerte Gesellschaft bedarf in Fragen des Bauens neuer Formen der Zusammenarbeit und innovativer interdisziplinärer Lösungsansätze.