Karina Grisse
Akademisches Viertel am 29. Oktober 2025 mit Karina Grisse
Generative KI und das Urheberrecht – eine schwierige Beziehung
Die Herausforderung:
Generative KI und das Urheberrecht stehen in einer spannungsreichen Beziehung. Im Urheberrecht geht es um die Frage, wer ein Werk geschaffen hat und wer über es verfügen darf. Generative KI irritiert diese hergebrachte Vorstellung. Denn damit KI funktioniert, muss sie mit sehr vielen bestehenden, in der Regel urheberrechtlich geschützten Werken „trainiert“ werden. Zugleich entsteht beim Gebrauch der Systeme neuer Inhalt, der an bekannte Werke erinnern kann, ihnen sehr nahekommt oder auch mehrere Werke kombiniert. Hier stellt sich die Frage, wo genau die urheberrechtlich relevante „rote Linie“ liegt und wer Rechte geltend machen kann.
Aus dem Vortrag:
Im Zentrum steht der klassische Rechtsbegriff des Werks als persönlicher, geistiger Schöpfung. Das Gesetz richtet den Blick in erster Linie auf das Verhältnis zwischen Urheber und Werk. Es soll vor unberechtigter Nutzung und Raub schützen sowie eine angemessene Vergütung gewährleisten. Der Aufwand, der in ein Werk eingeflossen ist, spielt für den Schutzumfang keine Rolle.
Bei generativer KI werden auf der Ebene der Trainingsdaten unzählige Werke einbezogen, ohne dass erkennbar bleibt, welche Spuren im Modell fortwirken. Auf der Ebene des Modells stellt sich die Frage, ob das trainierte System selbst eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann, wenn es in der Lage ist, Trainingsmaterial zu imitieren oder gar zu reproduzieren. Auf der Ebene des Outputs wird diskutiert, ob und unter welchen Voraussetzungen ein KI-erzeugter Text oder ein KI-generiertes Bild selbst auch als neue Werke gelten können oder nur als Ableitungen aus den Datenbeständen zu begreifen sind. Hinzu kommt die Urheberrechtsfrage mit Blick auf Prompts. Können letztere urheberrechtlich geschützt sein? Wenn Menschen Anweisungen geben, Stile und Motive wählen und so die Systeme damit in eine bestimmte Richtung führen, muss diskutiert werden, ob im Prompt bereits eine eigene geistige Schöpfung liegt oder ob der entscheidende kreative Anteil beim Modell gesehen wird.
Ein weiteres Problemfeld bilden Modelle, die längst mit umfangreichen Datensätzen trainiert sind. Rückwirkend gegen diese Datennutzung vorzugehen, ist schwer, zumal viele Anbieter in anderen Rechtsordnungen ansässig sind. Offen bleibt, ob eher staatliche Instanzen tätig werden sollen oder ob es bei Klagen einzelner Urheber bleibt.
Perspektiven:
Generative KI fordert das Nachdenken darüber heraus, was wir als kreative Schöpfung und Autorschaft verstehen wollen – und wie wir diese urheberrechtlich schützen. Juristisch und politisch geht es darum, das Zusammenspiel von Daten, Modell, Prompt und Output zu ordnen. Überdies stellt sich die Frage, wie Urheber angemessen beteiligt werden können, wenn ihre Werke im Training eine Rolle gespielt haben. Zugleich müssen die klassischen Ziele des Urheberrechts weiter mitgedacht werden. Es soll die schöpferische Leistung von Menschen schützen. Die schwierige Beziehung zwischen generativer KI und Urheberrecht besteht genau darin, diese Ziele unter neuen, herausfordernden Bedingungen sachgemäß zu definieren.