FiF-Forum 2025: „Psychische Erkrankung – Wege aus der Krise.“ Eine Informationsveranstaltung für Betroffene und Interessierte.

am 26. Juni | Wilhelm-Köhler-Saal | 10 bis 14 Uhr

Mit Vortrag von Prof. Dr. med. Dr. phil. Thomas Fuchs zum Thema „Schnell, schneller, zu schnell. Überforderung, Burn-out und Depression“.

Die Veranstaltung umfasste neben dem Vortrag von Herrn Fuchs eine sich daran anschließende Podiumsdiskussion sowie eine Ausstellung der TU-Angebote zum Thema. Angesprochen wurden alle Beschäftigten und Studierenden der TU Darmstadt.

Gute Gesundheit, sowohl körperlich als auch psychisch, ist entscheidend, um gut und erfolgreich arbeiten und studieren zu können. Oft wird die Bedeutung der psychischen Gesundheit unterschätzt, da sie nicht immer sichtbar ist. Symptome, wie Erschöpfung, Schlafstörungen oder Gereiztheit können sich schleichend entwickeln und zu ernsthaften Erkrankungen führen, wenn sie nicht rechtzeitig erkannt und behandelt werden.

Es ist wichtig, offen über diese Themen zu sprechen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass psychische Erkrankungen genauso ernst genommen werden sollten wie körperliche. Unterstützung zu suchen und sich um die eigene mentale Gesundheit zu kümmern, ist ein wesentlicher Schritt.

Plakat zum FiF-Forum 2025: Psychische Erkrankung

Ziel der Veranstaltung

Die Veranstaltung des FiF hat das Ziel, zur Enttabuisierung des Themas auch in universitären Zusammenhängen beizutragen und im besten Sinne über das Thema, seine Zusammenhänge und mögliche Antworten aufzuklären. Angeboten werden darüber hinaus Möglichkeiten der Begegnung und des Austauschs – für alle Statusgruppen der TU Darmstadt aus Wissenschaft und Verwaltung.

Vortragsfolien zum Forum (1.5 MB) (wird in neuem Tab geöffnet)

Über 30% aller Erwerbstätigen in Deutschland leiden im Laufe ihres Lebens an einer psychischen Erkrankung, viele davon an Depression. Die Zahl der Betroffenen nimmt vor allem bei jungen Menschen zu. Psychische Erkrankungen sind die häufigste Ursache für Frühverrentung und der zweithäufigste Grund für Krankschreibungen. Die volkswirtschaftlichen Schäden liegen bei über 140 Milliarden Euro jährlich, etwa fünf Prozent des BIP. Psychische Gesundheit wird indes nach wie vor erst dann Thema, wenn bereits ein akuter Leidensdruck besteht. Früherkennung und rechtzeitige Unterstützung fehlen oft.

Dabei ist es nicht nur der Körper, der nicht mehr mitkommt. Wie Prof. Dr. Dr. Thomas Fuchs in seinem Vortrag zeigte, ist es oft die Zeit selbst, die krank macht, genauer gesagt: das Verhältnis zur Zeit und der Konflikt zwischen verschiedenen Zeitstrukturen. Denn Zeit ist keine neutrale Struktur. Sie ist sozial hergestellt, organisiert, durch Institutionen geregelt und durch Technik beschleunigt. Moderne Gesellschaften funktionieren über zeitliche Koordination, und Synchronisation ist Voraussetzung von Kommunikation.

Zeit tritt in modernen Gesellschaften primär als funktionale, Struktur in Erscheinung: als lineare Zeit. Sie wird geplant, eingeteilt, verfügbar gemacht. Dabei entstehen Zeitordnungen, die nicht bloß Abläufe im Alltag ermöglichen, sondern tief in die Lebensführung eingreifen. Im Zentrum steht eine lineare Zeitlogik der Beschleunigung und stetigen Fortschritts. Sie steht in Spannung zu zyklischen Zeitstrukturen, die unsere Lebensrhythmen prägen. Dieser Konflikt zwischen linearer und zyklischer Zeit ist nicht bloß abstrakt, sondern konkret erfahrbar und physisch spürbar. In der Depression wird er sichtbar.

Die Depression kann also als chronopathologisches Phänomen verstanden werden. Als Erkrankung, in der die Erfahrung der Zeit selbst gestört ist. Was aus psychiatrischer Sicht als Antriebslosigkeit, Interessenverlust oder innere Leere beschrieben wird, lässt sich auch als Auflösung zeitlicher Erfahrung beschreiben. Betroffene verlieren den Zugang zur Zukunft. Die Gegenwart wird ungreifbar. Vergangenes erscheint bedeutungslos oder belastend. Es ist nicht bloß die Stimmung, die kippt. Es ist der Rhythmus, der sich entkoppelt.

Besonders auffällig ist die Entkopplung von physischen Rhythmen. Schlaf-Wach-Zyklen verschieben sich oder brechen ab. Hunger- und Sättigungsgefühle werden unregelmäßig oder verlieren ihre Relevanz. Soziale Routinen geraten ins Stocken. Die zyklische Zeit verliert ihre Verlässlichkeit. Gleichzeitig stellt sich keine lineare Zeitlogik ein. Zielgerichtetes Handeln, Planung, Hoffnung wird unscharf oder unmöglich. In der Depression existiert Zeit zwar formal weiter, doch sie verliert ihre Struktur.

Diese Entstrukturierung lässt sich nicht isoliert betrachten. Sie steht in einem Verhältnis zur gesellschaftlichen Zeitordnung. Moderne Gesellschaften erzeugen Taktung durch technische Beschleunigung, durch Arbeitszeiten, durch digitale Kommunikationsstrukturen. Sie verlangen Verfügbarkeit, Reaktionsschnelligkeit, Effizienz. Unterbrochene oder verlangsamte Zeit, etwa durch Krankheit oder Erschöpfung, ist nicht vorgesehen. Zyklische Rhythmen gelten als störanfällig, biologische Grenzen werden funktional überformt.

Hier entsteht ein chronischer Konflikt zwischen der zyklischen Lebenszeit, die Wiederholung, Rückzug und Regeneration braucht, und der linearen Weltzeit, einer Zeit, die ununterbrochenes Voranschreiten verlangt. In diesem Konflikt wird die Depression oder der Burnout lesbar. Nicht als individuelles Scheitern, sondern als Symptom einer überforderten Zeitstruktur. Sie markiert einen Punkt, an dem der Körper aus der gesellschaftlich erwarteten Zeit herausfällt. Nicht weil er will, sondern weil er muss.

Die Corona-Pandemie hat diesen Zusammenhang zusätzlich offengelegt. Viele zyklische Strukturen, wie zum Beispiel Arbeitswege, Schulzeiten, soziale Routinen brachen weg. Die gewohnten Zeitanker lösten sich, ohne ersetzt zu werden. Für viele Menschen entstand ein Zustand, in dem weder zyklische noch lineare Zeit funktionierte. Genau hier zeigte sich die chronopathologische Problematik, denn wer keine getaktete Außenzeit mehr hat und gleichzeitig keine stabilen Innenrhythmen aufrechterhalten kann, verliert den Bezug zur Zeit insgesamt und damit den Anschluss zum sozialen Umfeld.

Im Kontext der Depression bedeutet das: Die Krankheit zeigt nicht nur ein psychisches Problem, sondern auch ein strukturelles Zeitversagen. Der Konflikt zwischen linearem Fortschritt und zyklischem Rückzug wird nicht aufgefangen, sondern verschärft sich. Wer sich nicht mehr in die lineare Zeit einklinken kann, fällt heraus – und das oft, bevor Hilfe überhaupt greifen kann. Therapieplätze sind knapp. Die Wartezeiten liegen deutlich über dem, was bei akutem Taktverlust erforderlich wäre.

Peer-Support-Angebote, universitäre und studentische Initiativen, sowie weitere Niedrigschwellige Angebote, versuchen, diesem Mangel entgegenzutreten. Diese Formen sind institutionell jedoch oft schwach angebunden und stoßen selbst durch Personal- und Finanzierungsmängel an ihre Grenzen. Über Nutzung von KI als Ersatz wird gestritten, im allgemeinen wird stark von abgeraten. Schlicht und einfach sind wir im Moment nicht in der Lage, allen zu helfen. Der Bedarf ist zu hoch, das Kontingent an Plätzen zu klein.

Eine Antwort auf das Problem von Burnout und Depression kann nicht allein therapeutisch sein. Es braucht Räume, in denen andere Zeitverhältnisse erfahrbar werden. Zeit für Pausen, für Rückkopplung, für zyklische Regeneration. Ohne solche Pausen bleibt die Frage nach psychischer Gesundheit immer unvollständig. Die Zeit selbst muss mitgedacht werden.

In memoriam Felix Hill (1983-2024)

Felix Hill war ein junger, hochbegabter KI-Forscher. Promoviert an der University of Cambridge, war er zuletzt einige Jahre als international geschätzter Senior Researcher einer der besten Forschungsabteilungen – Google DeepMind in London – tätig. Am 5. Dezember 2024 setzte er seinem Leben ein Ende, das seit 2023 zunehmend von psychischen Problemen, Depressionen und Psychosen geprägt war. Von ihm hinterlassene Texte sprechen offen von Einsamkeit, Angst, Isolation, auch von gewaltigem Druck. Gravierende psychische Probleme korrelieren mit Drogen- und Alkoholmissbrauch, der zu unerträglichen Psychosen und letztlich zur Suizid-Entscheidung führt.

Felix Hill hat in den hinterlassenen Texten ausdrücklich dem Wunsch Ausdruck gegeben, seine Geschichte weiterzuerzählen – nicht um ihrer selbst willen, sondern um andere, die mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind, zu ermuntern, sich rechtzeitig Hilfe und Rat zu holen. Wir nehmen Felix Hill beim Wort und ehren sein Andenken, indem wir diese Texte im Rahmen dieses FiF-Forums öffentlich zugänglich machen.

Felix Hill hat das Ziel dieser Veranstaltung bereits vorformuliert:

…„Returning to the question of mental health, one thing I hope to do by sharing my story is to reduce stigma and generally further the progressive evolution of society in a small way. Not long ago people were embarrassed to have cancer. In Humans of AI I tried to raise this a bit with Druv Batra, but I wasn’t brave enough to do it properly. Maybe we can use some of my savings to get the message out further. I’m ashamed of many things, but I’m not ashamed of my illness, and it would be nice to build a world where nobody is.“…

Felix Hill
Felix Hill

On mental health, psychedelics and life

….„If you are a leader in any field, public or private, please remember that a kind and supportive environment is a way to make your organization stronger and better, not weaker.“

„I also want it to be very clear that none what has happened to me did so because I felt ‘under pressure’ from professional responsibilities. My professional life, doing research, was never anything except the most incredible joy. Pressures I felt were the consequence of me not allowing myself to find peace with what I was achieving, comparing to others, always wanting to be better. Ambition is a double-edged sword, and a fine balance to strike. I knew this (I had devoured a lot of Buddhism and Stoicism), but I didn’t find the right balance. Nothing external could have fixed that particular problem.“

„Returning to the question of mental health, one thing I hope to do by sharing my story is to reduce stigma and generally further the progressive evolution of society in a small way. Not long ago people were embarrassed to have cancer. In Humans of AI I tried to raise this a bit with Druv Batra, but I wasn’t brave enough to do it properly. Maybe we can use some of my savings to get the message out further. I’m ashamed of many things, but I’m not ashamed of my illness, and it would be nice to build a world where nobody is.“

„Since I first had depression in 2006, preventing anything of this nature became one of my life’s goals. That’s what drew me to the Vipassana course, to Buddhism, to yoga, to marathons. Thanks to the amazing love, support, experiences and opportunities that my friends provided me, we got from 20 to 38, and those were 18 incredibly happy years (as you can see from the highlights). I didn’t get to 80, and I didn’t achieve my dream of having a family of our own, but apart from that we did pretty well. The only truly bit I’d change is the last 18 months.“

„The only way that I could have been able to prevent this is by not taking ketamine.“

„Thank you for reading and thank you for everything, everyone, from the bottom of my heart. Make the most of the world. I was fortunate to see quite a lot of it, and it’s an incredible place. Keep tabs on your ambition, be kind even if you are drunk and don’t take ketamine without a doctor. If you are having difficulties, talk to someone. Alcohol, drugs, mental illness or just grief. If you are feeling suicidal, please, for your friends and family, try all of the help that I tried, however hard it feels. Even endure the pain of hospital, at least once. Hospital itself is an even greater hell, but telling professionals how you are feeling may be worth the risk. Keep talking and keep going. These things work for a lot of people, and you don’t know they won’t work for you until you have tried“

Felix Hill 2024: On mental health, psychedelics and life

Felix Hill, Oct 2024: 200Bn Weights of Responsibility – The Stress of Working in Modern AI

reddit: Felix Hill has died

Vortrag und Gesprächsteilnehmerinnen und -teilnehmer

Bei der Veranstaltung wird es um die folgenden Fragen gehen: Wie wird das Thema aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven gesehen? Wie werden Phänomene psychischer Krankheit wahrgenommen, wie zeigen sie sich? Wie werden Betroffene „resilient“? Welche Hilfs- und Beratungsangebote gibt es konkret an der TU Darmstadt?

Prof. Dr. med. Dr. phil. Thomas Fuchs – Professor am Universitätsklinikum HeidelbergSektion Phänomenologische Psychopathologie und Psychotherapie (wird in neuem Tab geöffnet) und Leiter der Tagesklinik Blankenburg (wird in neuem Tab geöffnet).

Vortrag zum Thema: „Schnell, schneller, zu schnell. Überforderung, Burn-out und Depression“.

Der Vortrag von Professor Fuchs wird sekundiert von einer Podiumsdiskussion, an der neben dem Referenten folgende Personen teilnehmen:

  • Nadine Balzter – Leitung Studentisches Gesundheitsmanagement der TU Darmstadt
  • Dr. Donya Gilan – Psychologische Leiterin der Transkulturellen psychiatrischen Ambulanz an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitätsmedizin Mainz
  • Prof. Dr. Iryna Gurevych – Professorin am Fachbereich Informatik, LOEWE-Zentrum DYNAMIC & Ubiquitous Knowledge Processing (UKP) Lab
  • Prof. Dr. Felix Kühnle – Professor am Fachbereich Humanwissenschaften, Sportsoziologie
  • Dipl.-Soz. Frauke Spreckels – Leiterin der Beratungsstelle für Beschäftigte BuB der TU Darmstadt

Die Moderation übernimmt Frau Dr. Claudia Becker.