Biesalski, Markus
Makromolekulare Chemie und Papierchemie | „Wo gibt es innovative Wege des Materials Papier?" | Vortrag am 20.11.2024
(wird in neuem Tab geöffnet) Mehr zur Person
Die Herausforderung
Papier findet sich überall – in Verpackungen, Zeitungen, als Einwegbecher, in Form von Akten. Mit weltweit jährlich über 400 Millionen Tonnen übertrifft die Papierherstellung sogar die Kunststoffindustrie. Papierabfälle sind häufig wiederverwendbar bzw. rezyklierbar und daher gut für nachhaltige Anwendungen geeignet. In Darmstadt hat die Beforschung des Werkstoffs Papier eine lange Tradition. Bereits 1905 wurde das Institut für Papierfabrikation an der TH Darmstadt gegründet, wenig später folgte das Institut für Cellulosechemie. Die komplexe und poröse Struktur von Papier als gewebtes Faservlies erfordert eine interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Werkstoff und seinen Anwendungsmöglichkeiten.
Aus dem Vortrag
Die Einsatzmöglichkeiten von Papier sind vielfältig und reichen von Verpackungsmaterialien, beschichteten Spezialpapieren bis hin zu papierbasierten Ultraleichtbau-Strukturen. So wurde beispielsweise im Rahmen des LOEWE-geförderten Projekts „Bauen mit Papier“ (BAMP!) das Potential der Nutzung von Papier im Bauwesen erforscht, zu dessen zentralen Schwerpunkten nicht nur die experimentelle sowie simulationsgestützte Untersuchung der mechanischen Eigenschaften von Papier über verschiedene Größenskalen hinweg gehörte, sondern auch die Veränderung dieser mechanischen – sowie anderer chemischer – Eigenschaften, mit dem Ziel, maßgeschneiderte Funktionalitäten zu erzeugen. Die einzelnen Fasern müssen dabei genau die richtigen Eigenschaften aufweisen, um größere papierbasierte Bauteile herstellen zu können, deren statische Eigenschaften und Beständigkeit gegenüber äußeren Einflüssen für den Einsatz im Bauwesen geeignet sind. Hierzu gehört beispielsweise die Ausstattung von Papier mit wasserabweisenden Eigenschaften. Nach dem Vorbild der Natur lassen sich Beschichtungen hydrophober Mikrostrukturen – von denen Wasser wie auf einem Lotusblatt abperlt – entwickeln. Auf ähnliche Weise können andere Funktionalitäten für weitere Anwendungen von Papier entwickelt werden. Auch der Einsatz papierbasierter Kompositwerkstoffe ist denkbar. So können verschiedene Schichten unterschiedlich funktionalisierter Papiere – nach Art eines Bimetalls, aber in Abhängigkeit der relativen Luftfeuchte – reversible Bewegungen durchführen.
Perspektiven
Als nachhaltiger Werkstoff, der aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen werden kann, bietet Papier vielfältige Möglichkeiten für innovative Anwendungen im Konstruktionsbereich sowie in Form von Spezialanwendungen für die Analytik und Diagnostik. Durch Faserwahl oder Oberflächenfunktionalisierung programmierbare 4D-Eigenschaften stellen weitere mögliche Anwendungen, wie sogenannte Paperbots, in Aussicht. Für die Papierindustrie stellt sich aktuell und in Zukunft neben dem Energieverbrauch auch die Herausforderung nach einfacher verfügbaren, auch alternativen Rohstoffquellen. Neue Rohstoffquellen für Papier könnten u.a. schnellwachsende C4-Pflanzen sein, zu denen beispielsweise viele Gräser gehören. Auch sind für ein umfassendes und insbesondere skalenübergreifendes Verständnis der Eigenschaften des Werkstoffs Papier weitere Forschungsanstrengungen vonnöten.
