Hübler, Clemens
Institut für Statik und Konstruktion | „Offshore-Windenergie – Ein möglicher Eckpfeiler unseres zukünftigen Energiesystems?" | Vortrag am 06.11.2024
Die Herausforderung
Im Jahr 2023 trugen erneuerbare Energieträger bereits zu 52 Prozent zur Bruttostromerzeugung in Deutschland bei. Mehr als die Hälfte davon wurde durch die Nutzung von Windenergie erbracht, deren Anteil an der Stromerzeugung in den kommenden Jahren weiter ansteigen soll. In diesem Zusammenhang wird ausdrücklich die Offshore-Windenergie verstärkt in den Fokus rücken, die nach den europäischen Plänen bis 2050 das Rückgrat der CO2-neutralen Stromerzeugung bilden soll. Ein Ausbau auf angestrebte 450 GW installierter Leistung in Europa erfordert jedoch eine weitere Verringerung der Stromgestehungskosten, die im Vergleich zu konventionellen Energieträgern zwar deutlich geringer ausfallen – die direkte Gegenüberstellung mit der günstigeren Onshore-Windenergie zeigt jedoch, dass hierin die primäre Herausforderung liegt.
Aus dem Vortrag
Die Vorteile der Offshore-Windenergie im Vergleich zu ihrem Gegenstück an Land sind offenkundig. Insbesondere sind auf dem Meer durchgängig höhere Windgeschwindigkeiten als auf dem Land verfügbar, wodurch dort – auch bei Dunkelflauten an Land – eine zuverlässige Stromerzeugung durch Windenergie gewährleistet werden kann. Durch verschiedene Ansätze wird versucht, die Kosten der Anlagen zu reduzieren, um eine wirtschaftlichere Stromerzeugung zu ermöglichen. Da die Leistung von Windenergieanlagen quadratisch mit dem Rotordurchmesser zunimmt, Installationszeiten und Logistik im Verhältnis zur Leistung schneller bzw. kostengünstiger erfolgen, nimmt die Größe neuer Anlagen seit Jahren kontinuierlich zu. Weitere Ansätze umfassen die Überwachung des Strukturverhaltens mittels Sensoren, welche eine frühzeitige Schadensdetektion ermöglichen. Die Anlagen können hierdurch zustandsabhängig gewartet sowie ihr Betrieb entsprechend geregelt werden. Simulationsmodelle können die Anlagen über ihre Lebensdauer als sogenannte digitale Zwillinge begleiten. Die Simulationsdaten lassen sich anhand der Daten der realen Anlage immer wieder neu validieren, um ein besseres Modell zu erhalten. Da die Lebensdauer von Windenergieanlagen auf Basis konservativer Berechnungen meist auf 20 bis 25 Jahre ausgelegt ist, erlauben die auf realen Daten basierenden Modelle eine Neuberechnung der Lebensdauer nach 15 bis 20 Jahren. Ein längerer Weiterbetrieb der Anlagen ist dabei zumeist möglich. Die Neuberechnung mit Hilfe klassischer Simulationsmodelle ist äußerst rechenaufwendig, da viele verschiedene Kombinationen von Umgebungsbedingungen simuliert werden müssen. Neuere KI-basierte Ansätze – sogenannte Metamodelle – erlernen die Korrelation zwischen den Eingangs- und Ausgangsgrößen des klassischen Simulationsmodells, wie z.B. der Windgeschwindigkeit und der Lebensdauer und können es anschließend ersetzen, um Rechenzeiten zu sparen.
Perspektiven
Die Kosten der Offshore-Windenergie sind in den letzten Jahren bereits deutlich gesunken. Die Umsetzung der Energiewende, insbesondere auch durch den Ausbau der Offshore-Windenergienutzung, stellt indes eine multithematische Herausforderung dar, die in interdisziplinärer Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen wie den Ingenieurswissenschaften oder der Informatik bewältigt werden muss. Eine verlängerte Lebensdauer der Anlagen sowie ein effektives Schadensmanagement durch sensorgestützte Strukturüberwachung und Computermodelle leisten dazu einen wertvollen Beitrag.
