Kühnle, Felix
Institut für Sportwissenschaft | „Whistleblowing über Doping im Sport: Soziale Bedingungen und generative Mechanismen“ | Vortrag am 10.07.2024
Die Herausforderung
Welche Bedeutung hat Whistleblowing im Sport – insbesondere im Blick auf Doping? Die großen Dopingskandale der letzten Jahre wurden nicht durch Laborkontrollen, sondern durch Whistleblower aufgedeckt – wie im Falle des Radrennfahrers Lance Armstrong durch ehemalige Teamkollegen. Whistleblowing könnte daher als hilfreiches Instrument in der Dopingprävention dienen. Die Forschung über das Phänomen des Whistleblowing steht jedoch erst am Anfang.
Aus dem Vortrag
Die bisherigen Erkenntnisse zum Thema Whistleblowing über Doping im Sport sind dünn. Die Gründe hierfür liegen insbesondere in der Tabuisierung von Doping, wodurch sich der Feldzugang als besonders schwierig erweist. Bisherige Arbeiten beschäftigen sich überwiegend mithypothetischen Whistleblowing-Entscheidungen und befragen Sportakteure im Konjunktiv, ob sie es berichten würden, wenn sie etwas über Doping wüssten. Indes wird die Bedeutung von Whistleblowing in der Anti-Doping-Politik immer größer. Mittlerweile haben nahezu alle größeren Sportverbände Hinweisgeberplattformen eingerichtet, und seit 2021 existiert eine Kronzeugenregelung im Antidopinggesetz. Was jedoch bisher fehlte, war eine systematische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der faktischen Entscheidung zum Whistleblowing. Um die Komplexität der Thematik aufzuschlüsseln, sind insbesondere qualitative Zugänge geeignet. Von besonderer Relevanz sind aus soziologischer Sicht sowohl die Offenlegung der sozialen Bedingungen als auch die systemischen Logiken und generativen Mechanismen, unter denen Menschen zu Whistleblowern werden. In der vom Bundesinstitut für Sportwissenschaft geförderten „WBS-Studie“ werden in einem Mixed Method Untersuchungsdesign Dokumentenanalysen einschlägiger Fälle mit Experteninterviews sowie Interviews mit Whistleblowern und anonymen Informanten kombiniert. Das Forschungsprojekt wird gemeinsam mit der Arctic University of Norway und der PH Schwäbisch Gmünd sowie in Kooperation mit der NADA Deutschland durchgeführt.
Perspektiven
Diskursive und narrative Zugzwänge sowie eine Eskalation des Konflikts führen zum Abbau der „Hinterbühne“ – und stellen den Weg zum Whistleblowing dar. Schnittstellen zur Öffentlichkeit, wie der Kontakt zu Journalisten, verstärken diese Zugzwänge. Die Beispiele aus der Sportwelt führen die hypothetische Whistleblowing-Forschung aufgrund der höheren Komplexität sozialer Bedingungen und generativer Mechanismen ad absurdum. Gleichzeitig können die Erkenntnisse der soziologischen Doping-Forschung den allgemeinen wissenschaftlichen Diskurs über Whistleblowing bereichern.
