Steffek, Jens

Internationale Organisationen als technokratische Utopie?, Vortrag am 28.04.2021

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Die Herausforderung:

Sind internationale Organisationen realer Ausdruck der technokratischen Utopie?

Aus der Diskussion:

Gegenwärtig befinden sich viele internationale technokratische Organisationen in einer Krise, da ihre Daseinsberechtigung und Legitimität in Frage gestellt wird. Als Beispiele hierfür können die Brexit-Befürworter in England mit ihrer Ablehnung der Europäischen Union oder die Trump-Administration mit ihren Austritten aus zahlreichen internationalen Organisationen wie der WHO genannt werden. Die internationalen Organisationen sind in die Kritik geraten – aber sie sind nach wie vor da, und sie werden auch bleiben. Um diese Ambivalenz zu verstehen, ist ein Rückblick auf Max Weber hilfreich. Er sah die moderne Welt geprägt durch die „Fachbürokratie“, der er gleichzeitig mit großer Skepsis begegnete: Fachbürokratien sorgen für eine gewisse, wissensbasierte Effizienz der Abläufe, aber sie drohen andererseits, so seine Diagnose, Kreativität zu ersticken. Globale Interdependenzen im 20. Jahrhundert sind Herausforderung und Beweggrund für die Gründung internationaler Organisationen, wie zum Beispiel der Weltarbeitsorganisation (gegründet 1919) und der Fachorganisationen der Vereinten Nationen nach dem Zweiten Weltkrieg. Spätestens seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts ist indes eine Gegenbewegung gegen die Technokratisierung der Welt zu verzeichnen (verbunden mit so unterschiedlichen Namen wie Habermas, Foucault, Reagan und von Hayek). Die Utopie technokratischer Organisationen besteht in der Rationalisierung internationaler Beziehungen, die durch Anarchie, Machtpolitik und Gewalt geprägt sind. Mit Technokratie verbindet sich demgegenüber das Versprechen unpolitischen, vernünftigen und regelgeleiteten Regierens. Es sind die Schwierigkeiten der Politik, Konflikte zu lösen, die diese Utopie, bei aller Skepsis, immer aufs Neue als attraktiv erscheinen lässt.

Perspektiven:

Zwischen Politik auf der einen und wissensbasierter Expertenherrschaft auf der anderen Seite besteht eine Grundspannung, die nicht aufzulösen ist – und die sich gerade auch in Krisenzeiten wie der gegenwärtigen Pandemie zeigt. So geht es darum, mit dieser Spannung umzugehen. Unterdessen sind technokratische Ideen aus der Theorie der internationalen Beziehungen eher in die Ökonomie und ins Recht ausgewandert. Das technokratische Narrativ ist nicht am Ende …