Vogt, Joachim, Vortrag am 15.7.2015

Arbeits- und Ingenieurpsychologie

Mehr zur Person

Die Herausforderung:

Die Diskussion um technische Risiken geht von der fragwürdigen Annahme aus, dass es einerseits technisches, andererseits menschliches Versagen gibt. Der gesellschaftliche Umgang mit Ausnahmesituationen ließe sich verbessern, wenn von menschlicher Kompetenz in solchen Situationen ausgegangen wird.

Aus der Diskussion:

In technischen Systemen wird der Mensch gerne als das schwächste Glied der Kette gesehen – wobei „menschliches Versagen“, Schuld und „Verkettung ungünstiger Umstände“ eine lineare Abfolge von Ereignissen suggeriert. Dagegen steht etwa die „Functional Resonance Analysis Method for modelling complex socio-technical systems“. Hiernach können viele auf den ersten Blick wenig relevante Umstände in Wechselwirkung miteinander eskalieren und zu einem größeren Unfall führen. Wo auf die im Normalbetrieb entwickelte Kompetenz der Menschen vertraut wird, kann ihr Gespür wichtige Hinweise liefern. Zufällig findet eine arbeitspsychologische Untersuchung statt, als im Flughafen ein Feuer auftritt (Vogt & Kastner 2002, Journal of Human Factors and Aerospace Safety 2:1, 87–96). Die physiologischen Messdaten weisen nach, dass die Mitarbeiter erste schwache Signale für das sich anbahnende Unglück unterhalb einer Bewusstseinsschwelle wahrnahmen. Als mit dem Feueralarm Klarheit vorlag, fielen sie gleich in einen professionellen Arbeitsmodus und verhinderten Schlimmeres. Um von der Kompetenz der Mitarbeiter derart profitieren zu können, muss diese ernst genommen werden.

Perspektiven:

Für den klugen Umgang mit neuen Technologien müssen Gefährdungen antizipiert werden. Wie aber kann etwas zukünftig Neues, noch nie Dagewesenes antizipiert werden? Wie kann die Auskunft des Bauchgefühls nutzbar gemacht werden, ohne zu unterstellen, dass es Zeichen aus der Zukunft gibt? Das lässt sich spannend diskutieren.