Paulitz, Tanja

Techniksoziologie, Vortrag am 7.6.2017

Mehr zur Person

Die Herausforderung:

Der technische Produktionsprozess wird von einem idealtypischen Nutzer aus geplant, und reproduziert damit geschlechtliche Stereotype. Wie lassen sich Produkte verantwortlich und gerecht, also auch genderreflexiv gestalten?

Aus der Diskussion:

Produktgestaltung und Gesellschaft stehen in wechselseitigem Verhältnis. Wenn die optische und funktionale Gestaltung von technischen Produkten, wie am Beispiel von Bohrmaschine und Küchenmixer in einem Designforschungsexperiment, plötzlich umgedreht würde, wäre ihre Produktsprache ganz offensichtlich – beispielsweise zeigt ihre farbliche Kodierung, dass unsere Alltagsgegenstände oft geschlechtlich markiert sind. Wie aber lassen sich Produkte gestalten, ohne dass ihnen Geschlecht eingeschrieben wird? Oder ist das gar nicht gewollt, da Hersteller doch gut verstehen, wie bestimmte Personengruppen von bestimmten Produkten angesprochen werden? Eine aktuell gängige Gestaltungspraxis ist die sog. „I-Methodology“, bei der Entwickler sich selbst als Nutzer sehen. Genderreflexive Gestaltung kann ihren Ausgangspunkt in einem zweiten Verfahren finden, nämlich der szenarienbasierten Softwareentwicklung, die es bereits seit den 1990er Jahren gibt, aber hinsichtlich Gender weiter zu entwickeln ist. Sie stellt nicht den Konsumenten als Person in den Mittelpunkt der Entwicklung, sondern ein Szenario, für das eine Software geschrieben wird. Mögliche Nutzerszenarien werden hierfür durch offene, soziologisch begleitete Erhebungsverfahren ermittelt, wobei die Bandbreite verschiedener Nutzer repräsentiert, mögliche Stereotypen reflektiert und so in Gestaltungsentscheidungen besser vermieden werden können. Der stärkere Einsatz dieser neuen Gestaltungsmethoden setzt allerdings eine Sensibilisierung des öffentlichen Bewusstseins, auch seitens der Wissenschaft voraus sowie interdisziplinäre Kooperationen im Gestaltungsprozess.

Perspektiven:

Um das in partizipativen Verfahren enthaltene Veränderungspotenzial nutzbar zu machen, müsste aktuelle sozialwissenschaftliche Forschung stärker in unternehmerischer Produktenwicklung einbezogen werden. Kooperative interdisziplinäre Forschungsprojekte zwischen Ingenieur- und Sozialwissenschaften haben das Potenzial, Vorbilder für integrative Gestaltungsprozesse zu entwickeln, die den Transfer in die unternehmerische Produktentwicklung unterstützen können.