Nolte-Fischer, Hans-Georg
Bibliotheksdirektor ULB, Vortrag am 24.5.2017
Die Herausforderung:
Das 450jährige Bibliotheksjubiläum erinnert mit beeindruckenden Ausstellungen an die Materialität des Buches – seines Formats, Papiers oder Drucks. Gleichzeitig hat die ULB ein Notversorgungskonzept entwickelt, weil die Online-Zeitschriften eines großen Verlags gekündigt werden mussten – die allgemeine Verfügbarkeit des Online-Angebots bedarf komplizierter Aushandlungen, um verfügbar zu bleiben.
Aus der Diskussion:
Die Digitalisierung von Publikationen stellt das Gleichgewicht von Eigentumsrechten und Nutzungsrechten vor neue gesellschaftliche und juristische Herausforderungen. Gerade im wissenschaftlichen Betrieb versuchen Verlage, ihre Geschäftsmodelle aufrecht zu erhalten, indem sie das Urheberrecht restriktiv auslegen und einen letztlich unrealistischen Umgang mit Texten einfordern. Vermehrt verfolgen Autoren daher alternative Wege und das Open Access Ideal. Allerdings erfüllen die Verlage wichtige Funktionen und können nicht vollständig durch Open-Access Modelle ersetzt werden. Deshalb gibt es den Vorschlag, das Urheberrecht für den wissenschaftlichen Betrieb gesondert durch eine pauschale Tantiemen-Vergütung anstelle der gegenwärtigen Einzelpublikationsabrechnung zu vergüten. Die wirtschaftlichen Interessen kleiner und mittlerer Verlage können nicht allein durch das Urheberrecht geschützt werden, sondern durch Kartellrecht und andere Wirtschaftsrechtsformen. Die Unterscheidung von digitalen und gedruckten Publikationen, von Fotokopien und Scans wird aus technischer Perspektive zunehmend irrelevant – und sollte auch für die Vergütung keine wesentliche Rolle mehr spielen. An dieser Stelle sperrt sich der große Verlag jedoch und soll nun durch die Massenkündigung von Online-Zeitschriften unter Druck gesetzt werden.
Perspektiven:
Was das Notversorgungskonzept vor allem verdeutlicht: Die verantwortliche Gestaltung wissenschaftlicher Publikationspraxis verbindet Bibliotheksdirektoren und die Autoren im Wissenschaftsbetrieb. Wie kann die Funktion von Verlagen erhalten und (Selbst)Ausbeutung vermieden werden?