Frank, Sybille

Soziologie/Stadtforschung, Vortrag am 18.4.2018

Mehr zur Person

Die Herausforderung:

Mittels ihrer Architektur erzählen Städte von ihrem historischen Erbe und immer mehr Stimmen erheben den Anspruch, ihre Geschichte miterzählen zu dürfen. Wie erzählt wird, hängt auch davon ab, wer erzählt – und das gilt auch für die Beiträge der Stadtforschung.

Aus der Diskussion:

Der Potsdamer Platz hat viel erlebt: Als Verkehrsknotenpunkt führte er fünf Straßen zusammen, war Vergnügungsort mit Künstlercafés, war einer der belebtesten Plätze Europas, ein Ort der Großstadterfahrung bis zu seiner fast vollständigen Zerstörung im zweiten Weltkrieg, teilte später Ost- und Westberlin, wobei Relikte der Vorkriegsjahre 1990 unter Denkmalschutz gestellt wurden. Ein Ort wechselvoller Geschichte, die der Berliner Senat als „komplexe Geschichtslandschaft“ oder „kritische Rekonstruktion“ auch sichtbar machen wollte. Zugleich verkaufte der Berliner Senat das die Gelände um den Potsdamer Platz zu Beginn der 1990er Jahre an internationale Unternehmen, unter anderem die Daimler Benz AG und die Sony Corporation. Der Erhalt der komplexen Geschichtslandschaft wurde in den Kaufverträgen mit Daimler und Sony zwar festgehalten. Nur interpretierte man von Konzernseite das städtische Konzept als rückwärtsgewandt und realisierte mit der Hochhaus-City für das 21. Jahrhundert ein Alternativprojekt. Schließlich war der Potsdamer Platz immer schon am Puls der Zeit. Wurde hier der städtische Planungswille zu schnell aufgegeben und eigentlich hoheitliche Aufgaben von privatwirtschaftlicher Hand übernommen? Wenn Denkmalschutz von privaten Unternehmen als Rosinenpickerei betrieben wird, ergibt sich, dass am heutigen Potsdamer Platz nur noch wenige Spuren auf die Zeit zwischen 1933-1989 verweisen. Andererseits ist es nur verständlich, dass Unternehmen in eigenem Namen lieber an Glorreiches erinnern und ein denkmalgeschütztes Gebäude auch zerlegen und verschieben, damit es besser ins Profilierungskonzept passt.

Perspektiven:

Die zunehmende Privatisierung öffentlicher Aufgaben bedeutet eine größere Verantwortung für akademische Forschung, die als kritische Instanz wesentliche Gesichtspunkte gelten machen kann.