Blüthgen, Nico

Ökologische Netzwerke, Vortrag am 20.5.2015

Mehr zur Person

Die Herausforderung:

Im Einzelnen ist vieles unklar aber dies scheint unbestritten: Oft sind Ökosysteme akut bedroht, schwindet Biodiversität durch menschlichen Einfluss. Dieser Befund verlangt eigentlich nach Handlung und politisch engagierter Wissenschaft. Warum also folgen derartigem Wissen so selten klare Empfehlungen und konsequentes Handeln?

Aus der Diskussion:

Der allgemeine Befund – der Mensch hat einen gravierenden Einfluss auf Ökosysteme – wird nicht hinterfragt und ist daher auch kein Forschungsgegenstand. Erforscht werden komplexe Systeme in einem relativ kleinen Zeithorizont, wo eindeutige Nachweise kausaler Beziehungen oft schwierig sind. Dass die Planierung eines Waldes die Natur beeinträchtigt, ist geradezu trivial, wissenschaftlich interessant vielmehr das unsichere Wissen bezüglich einzelner Artengruppen, deren Wechselwirkungen, bestimmte Landnutzungskomponenten oder konkrete Auswirkungen des Klimawandels. Zu weitreichenderen Konsequenzen legen die Veröffentlichungen oft nur einen Verdacht nahe. Nachweise von Effekten werden entsprechend der naturwissenschaftlichen Tradition anhand streng definierter statistischer Signifikanzen akzeptiert oder abgelehnt (Wahrscheinlichkeit des Nicht-Zutreffens muss 5% unterschreiten). Unsicherheiten zu Effekten werden herausgearbeitet, die Befunde relativiert. In der öffentlichen Wahrnehmung erscheinen daher vor allem die Meinungsunterschiede ökologischer Forscher und der Eindruck, dass sie sich offenbar nicht berufen fühlen, deutliche Empfehlungen auszusprechen oder entschiedenes Handeln einzufordern. Das relative (noch-)Nicht-Wissen der Forscher wird als Nicht-Wissen über die insgesamt unzweifelhaft bedenkliche Problemlage ausgelegt. Dieser Unterschied müsste aber kommuniziert werden.

Perspektiven:

Agnotologie, Nichtwissenskommunikation, black-boxing, Wissenssynthesen – das sind Themen für die ganze Universität und die neuere Wissenschafts- und Technikforschung. Und was können Naturwissenschaftler von Ingenieuren und Sozialwissenschaftlern lernen, wenn es um die Umsetzung ihrer Befunde in handlungsorientierende Konsequenzen geht?