Albert, Barbara

Chemie, Vortrag am 30.5.2018

Mehr zur Person

Die Herausforderung:

Forschungsergebnisse lassen sich immer vielfältig nutzen. Was jedoch, wenn potentieller oder sogar absehbarer „dual use“ von Erkenntnissen zu einem Verstoß gegen die Zivilklausel der TU Darmstadt führt.

Aus der Diskussion:

Ein interessanter, schwieriger, nicht nur hypothetischer Fall: Die NATO bündelt militärische Kräfte in einem Verteidigungsbündnis. Unter der Überschrift „NATO Science for Peace and Security“ fördert sie auch wissenschaftliche Forschung. Diese könnte darin bestehen, Materialien so zu verbessern, dass sie Menschen erfolgreicher schützen – undurchdringlichere Uniformen beispielsweise oder eine leichtere, immer noch wirksame Panzerung von Fahrzeugen. Nun kommt aber eines der mitantragstellenden Forschungsteams aus einem Land, das sich gerade in einem bewaffneten Konflikt befindet und von der angestrebten Materialverbesserung unmittelbar profitieren könnte. Leicht nachvollziehbar ergibt sich nun ein Konflikt zur Darmstädter Zivilklausel: „Forschung, Lehre und Studium an der Technischen Universität Darmstadt sind ausschließlich friedlichen Zielen verpflichtet und sollen zivile Zwecke erfüllen; die Forschung, insbesondere die Entwicklung und Optimierung technischer Systeme, sowie Studium und Lehre sind auf eine zivile Verwendung ausgerichtet.“ – Der besondere Zusammenhang ist es, aus dem sich der Konflikt ergibt. Darum werden Fälle durch eine Ethikkommission einzeln geprüft, denn auch die Zivilklausel unterstellt nicht, dass ein „dual use“ vermeidbar wäre und grundsätzlich vermieden werden muss. Was unter anderen Umständen als zivil ausgerichtete Materialverbesserung gelten könnte, kann hier in einen kriegerischen Zusammenhang gebracht werden. Wenn die TU solche Forschungsvorhaben nicht zulässt, ist dann die Freiheit der Forschung verletzt? Und wenn Deutschland – auf friedliche Ziele verpflichtet – als NATO-Partner an kriegerischer Auseinandersetzungen beteiligt ist und wir oder unsere Kinder den Körperschutz tragen, für dessen Erforschung wie oben beschrieben ein Finanzierungsantrag bei der NATO gestellt werden sollte, wie bindend ist dann das „soll zivile Zwecke erfüllen“?

Perspektiven:

Die Anwendung der Zivilklausel verlangt eine umsichtige Einschätzung schwieriger Einzelfälle. Offen bleibt, ob dadurch die Forschungsfreiheit eingeschränkt wird.